Erleben statt konsumieren: Drei Tipps für achtsames Reisen

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Slow Travel ist der neueste Trend. Gemeint ist das bewusste und langsame Reisen, bei denen der Weg oft mehr im Fokus steht, als das eigentliche “Ziel”. Statt in möglichst wenig Zeit viele Ziele abzuklappern, geht es um das achtsame Erleben der Reise. Dabei ist dieses Konzept eigentlich gar nicht neu. Noch vor nicht allzu langer Zeit, gab es keine andere Möglichkeit als zu Fuß, in Kutschen, mit Zügen und Frachtschiffen die Welt zu erkunden. Im Mittelalter waren Reisen beschwerlich und gefährlich: Lediglich Kaufleute, Soldaten oder Pilger nahmen die unvorhersehbaren Gefahren einer Reise in Kauf. Sie mussten ihren Weg gut kennen und durften nie die Orientierung verlieren. Im 18. Jahrhundert kamen Bildungsreisen in Mode. Wer etwas auf sich hielt, erkundete Destinationen wie Florenz, Nizza, Venedig oder Paris. Ein Privileg, das einigen wenigen Reichen und Adeligen vorbehalten blieb. Richtige Erholungs- und Vergnügungsreisen etablierten sich erst im Laufe des 19. Jahrhunderts im Zuge des technologischen Fortschritts. Unterhaltsame Ausflüge wie beispielsweise im Orientexpress waren jedoch immer noch Sache der Oberschicht. Erst im 20. Jahrhundert demokratisierte sich das Reisen und wurde einer breiteren Masse zugänglich. In Deutschland entwickelte sich das Reisen insbesondere nach dem Wirtschaftswunder in den 50er Jahren zum Massenphänomen. (1)  

Die Welt als Konsumprodukt: Wir zerstören, was wir lieben

Die technologischen Errungenschaften des vergangenen Jahrhunderts eröffneten viele neue Optionen. Sowohl Risiken, als auch die Kosten eine Fernreise anzutreten nahmen zunehmend ab. Früher brauchte man nicht nur mehr Zeit für eine Reise, man musste sich auch viel gründlicher darauf vorbereiten. Dazu zählen beispielsweise die detaillierte Routenplanung, eine entsprechende Ausstattung, sowie die Weiterbildung zur Vorbereitung auf andere Kulturen (wie beispielsweise das Erlernen einer Fremdsprache). Heute reicht ein Klick und 9€ für den Platz in einem Billigflieger, um innerhalb weniger Stunden tausende Kilometer zurückzulegen. Was kostet die Welt. Wenigstens ein Teil davon ist für viele Menschen heutzutage erschwinglich. So wie wir heutzutage Nahrung zu uns nehmen, die wir nicht selbst angebaut oder Kleidung tragen, die wir nicht selbst genäht haben, entfremden wir uns auch zunehmend von den Wegen die wir auf uns nehmen

Die Welt wurde (wie alles andere auch) zum Konsumprodukt. Der Begriff “konsumieren” meint jedoch “verbrauchen” oder “verzehren”. (2) Je mehr wir etwas konsumieren, desto weniger Substanz bleibt am Ende zurück. Wir verlernen eine Beziehung zu den Dingen herzustellen, die wir einfach nur benutzen, um unsere Bedürfnisse zu befriedigen. Ganz nebenbei machen wir so das, was wir so so gerne entdecken wollen, auch noch nachhaltig kaputt. Insbesondere Flugreisen schädigen das Klima und somit eben jene Welt, die wir so gerne erkunden wollen: Neben hohen CO2-Emissionen, sorgen Flugzeuge auch für Stickoxidemissionen und Wasserdampf in hohen Luftschichten, welche sogar einen zwei bis fünfmal höheren Effekt auf das Klima haben sollen, als die uns bekannten CO2-Emmissionen. (3) Außerdem wird für kein anderes Fortbewegungsmittel so viel Energie benötigt, wie für das Fliegen. Die Luftfahrt gilt daher als wesentlicher Faktor für klimaschädliche CO2-Emmissionen in der Tourismusbranche. (4)

Der Weg ist das Ziel

Die Idee, möglichst viele Ziele von der “Bucket List” streichen zu wollen, führt jedoch nicht nur dazu, dass wir durch günstige und schnelle Flugreisen das Klima schädigen. Wir entfremden uns zudem vom Reiseprozess selbst. Routen planen ist nicht mehr nötig, wenn uns das Flugzeug wie ein Beamer an einem Ort mitnimmt und binnen weniger Stunden auf einem anderen Kontinent wieder ausspuckt. Jetlag ist ein gutes Beispiel dafür, dass unser Körper mit der Geschwindigkeit, in der wir die Welt erkunden, gar nicht “richtig mitkommt”. Wir bewegen uns im Außen schneller, als wir uns im Innen anpassen können. Fliegen wir Richtung Westen oder Osten, durchqueren wir binnen Stunden meist mehrere Zeitzonen. Für jede Stunde Zeitverschiebung benötigt unser Körper ungefähr einen Tag Anpassung. (5) Wer also in Frankfurt einsteigt und innerhalb von elf Stunden die Strecke nach Los Angeles zurücklegt, benötigt körperlich mehr als eine Woche, um nicht nur physisch am Zielort anzukommen, sondern auch den inneren Biorhythmus anzupassen. Geistige und körperliche Funktionen laufen oft in einem regelmäßigen 24 Stunden-Rhythmus ab, welcher durch den schnellen Ortswechsel gestört wird. Folgen vom Jetlag können depressive Verstimmungen, Konzentrationsschwäche und Schwankungen der Herzfrequenz sein. (5)

Neben den körperlichen Belastungen, liegen jedoch auch die psychischen Effekte auf der Hand: Bist du schonmal in einer fremden Stadt einige Stationen U-Bahn gefahren? Du steigst an Punkt A ein und an Punkt B wieder aus. Die beiden Orte wirken völlig unabhängig voneinander. Wenn du einige Tage später den Weg zu Fuß oder mit dem Rad zurücklegst, füllen sich plötzlich die leeren Flecken auf der inneren Landkarte. Auf einmal verstehst du, wo Norden und Süden ist. Welcher Kanal an beiden Orten entlang fließt und dass der süße Buchladen in dem du warst, ja sogar auf halber Strecke liegt. Du siehst, wie sich Häuser, Menschen und Infrastruktur binnen weniger U-Bahnstationen verändern. Distanzen werden abschätzbar und du beginnst, die Stadt zu verstehen, anstatt eine isolierte Sehenswürdigkeit To-Do-Liste zu streichen.

Statt uns in überfüllte U-Bahnen zu quetschen oder über Verspätungen zu ärgern, genießen wir den Spaziergang und nehmen vielleicht sogar einen anderen Weg, als ursprünglich geplant. Wir lassen Raum für spontane Begegnungen erkunden die Stadt mit unseren Sinnen, anstatt einem ausgeklügelten Touri-Plan.

Social Media setzt uns unter Druck: In wievielen Ländern bist du schon gewesen? Wir haben das Bedürfnis Ziele abzuklappern und Haken auf Landkarten zu setzen. Es macht das Reisen zu einem Wettbewerb. Reisen ist die Gelegenheit aus unserem hektischen Alltag auszubrechen und mit allen Sinnen den gegenwärtigen Moment zu genießen. Wenn wir erstmal an unserer Destination angekommen sind, sammeln wir oft unvergessliche Momente, die wir uns noch Jahre später in Erinnerung rufen werden. Warum aber nicht den Weg selbst bereits zum achtsamen Erlebnis machen?

Drei Tipps für achtsames Reisen

1. Der Weg ist das Ziel
Viele Menschen möchten einfach nur ankommen. Dabei ist ihnen jedes Mittel Recht. Vielleicht hast du ja selber schonmal das günstigste Flugticket gebucht, welches du gefunden hast und musstest dann mitten in der Nacht zu dem schlecht erreichbaren Flughafen hetzen, durftest kaum Gepäck mitnehmen oder hattest ewige Umsteigezeiten auf unbekannten Flughäfen. Manchen Menschen macht das Fliegen selbst bereits Spaß, andere finden das ganze Prozedere einfach nur stressig. Schau was für dich passt und überlege, ob es vielleicht auch Optionen gibt, mit denen du die Reise selbst bereits als Bereicherung und Mehrwert für dich verbuchen kannst. Vielleicht musst du ja gar nicht die gesamte Strecke an einem Tag zurücklegen? Kannst du dir Etappenziele stecken und machen Teilstrecken vielleicht mit Bus und Bahn absolvieren? Bei deinen Zwischenstopps unbekannte Orte entdecken, besondere Menschen kennenlernen und dich erholen?

2. Die Welt beginnt direkt vor deiner Haustür
Du warst schon auf Bali, aber noch nicht in der Uckermark? Vielleicht muss dein Ziel ja gar nicht so unglaublich weit weg sein. Verbinde dich mit deiner Umgebung und lass dich davon überraschen, was es alles zu entdecken gibt! Vielleicht kannst du stressige Anfahrten und umständliche Planungen so durch nachhaltigere Optionen ersetzen und so jeden Teil deiner Reise gleichwertig genießen.

3. Reise mit allen Sinnen
Anstatt die Welt durch dein Handydisplay zu erkunden (damit man auch jeden Moment auf Social Media teilen kann) konzentriere dich auf deine Sinne. Rieche, schmecke, fühle, beobachte und lass so auch die weniger “Instagram tauglichen” Momente zu etwas ganz Besonderem werden. Oft sind Sinneswahrnehmungen auf Reisen viel intensiver als zuhause. Lass deine Reise so zu einem achtsamen und ganzheitlichen Erlebnis werden.

Geschrieben von Caroline

  1. https://www.planet-wissen.de/gesellschaft/tourismus/geschichte_des_reisens/index.html#Luxusreisen 
  2. https://www.dwds.de/wb/konsumieren 
  3. https://www.7mind.de/magazin/slow-travel-die-besten-tipps-fuer-achtsames-reisen 
  4. https://www.aok.de/pk/magazin/wohlbefinden/achtsamkeit/slow-travel-nachhaltig-und-achtsam-reisen/ 
  5. https://www.tk.de/techniker/magazin/reisen/auf-reisen/zeitzonen-jetlag-2007486?tkcm=aaus

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*Bitte kläre vorab mit deiner Krankasse ab, wie viel und ob sie den Kurs bezuschussen. Das kann je nach Krankenkasse variieren. Angaben ohne Gewähr.