Theorie Input: Was ist Achtsamkeit?
Als Achtsamkeit bezeichnet man in der Psychologie, aber auch in alten buddhistischen Lehren, einen Zustand der mentalen Gegenwärtigkeit. Körper und Geist sind auf das unmittelbare Geschehen gerichtet. Umweltreize werden direkt und ungefiltert wahrgenommen. Ein achtsamer Geist befindet sich urteilslos im Hier und Jetzt, er erlebt, ohne zu werten und ist frei von Erinnerungen, Gedanken, Traumbildern oder heftigen Gemütslagen. Wer sich in Achtsamkeit übt, koppelt seine mentale Verfassung von den Sorgen, Ängsten und Bedenken des Lebens ab. So erreicht man allmählich ein Plateau, von dem aus sich das gegenwärtige Geschehen in seiner Gesamtheit entfaltet. Anwender ziehen hierbei gerne das Gleichnis einer Bergwanderung heran. Je höher man steigt, desto geschärfter ist der Blick für die Umgebung in ihrer ganzen Fülle. Gedanken und Emotionen werden vor der Wanderung abgestreift, sodass der Geist am Gipfel für die Vielfalt empfänglich und von den Einschränkungen der Ich-Wahrnehmung unbelastet ist.
Woher kommt der Begriff Achtsamkeit und wie funktioniert diese?
Achtsamkeit (engl. mindfulness) ist keineswegs ein modernes Trendwort, sondern eine altbewährte Praxis von buddhistischen Mönchen. Seit zweieinhalbtausend Jahren praktizieren Buddhisten die im Satipatthana-Sutta (Diskurs über die Etablierung der Achtsamkeit) dargelegten Meditationsmethoden. Hierdurch lassen sie Kummer und Sorgen hinter sich, verringern Leiden und beschreiten Schritt für Schritt den Weg der Wahrheit. Seit dem 19. Jahrhundert finden östliche Lehren Eingang in die intellektuellen und medizinischen Debatten.
Viele Zweige der Psychotherapie greifen das Konzept der Achtsamkeit auf und auch in der Öffentlichkeit spielt „Mindfulness“ eine immer wichtigere Rolle. Achtsamkeit basiert in der Praxis auf Meditationsübungen und speziellen Atemtechniken. Diese erlernen Interessierte in längeren Kursen von professionellen AchtsamkeitstrainerInnen.
Auch im Zen- Buddhismus ist der Aspekt der LehrerInnen-SchülerInnen-Vermittlung von großer Bedeutung. Heutzutage dient Achtsamkeit vor allem gesundheitlichen Zielen und hilft bei der Bewältigung von Stresssituationen. In diesem Feld ist vor allem die bekannte und von deutschen Krankenkassen geförderte Achtsamkeitspraxis MBSR bedeutsam.
Wie wirkt sich Achtsamkeit auf den Alltag aus?
Die positiven Effekte von mehr Achtsamkeit sind sehr vielseitig und erreichen verschiedene Lebensbereiche. Das Abstreifen von Sorgen und Stress schaltet neue Energie für den Alltag frei. Achtsame Menschen erwecken innere Ressourcen und befreien sich aus dem inneren Gefängnis negativer Gedanken. Über den Tellerrand zu
blicken fällt somit leichter. Gleichzeitig kommt es zu einer neuen Verortung des Selbst im eigenen Leben. Achtsamkeit macht im wahrsten Sinne des Wortes selbstbewusster und ermöglicht selbstbestimmtes Handeln im Einklang mit dem eigenen Innenleben.
Der Geist ist ruhig und ausgeglichen und die verbesserte Selbstwahrnehmung ermöglicht mehr Gelassenheit auch bei unliebsamen Erlebnissen. Angstbilder verblassen vor den schönen Seiten des Lebens, sogar chronische Schmerzen werden häufig gemildert. Dadurch ergibt sich eine völlig neue Chance auf geistige Produktivität. Aufgaben machen plötzlich Spaß und stellen keine Belastung mehr dar. Man erkennt den Spielfaktor in der Herausforderung und nimmt sich selbst und seine angeblichen Makel nicht mehr so wichtig. Das Leben und die sich täglich wandelnden Umstände können mit einer achtsamen Herangehensweise nicht nur angenommen, sondern wertgeschätzt werden.
Achtsamkeit: Ein uraltes Konzept, so aktuell wie nie
Im schnelllebigen Zeitalter der sich abwechselnden Reize und Informationen ist die Rückbesinnung auf einen stabilen Kern mit einer hohen Zunahme der Lebensqualität verbunden. Die Anforderungen von Beruf und Privatleben wirken erschlagend, wenn das Leben nur so vorbeizieht. Ganz anders bei achtsamer Betrachtung: Wer in sich selbst einen Anker findet und die Umstände des eigenen Lebens mit einem Blick auf das Gesamtbild ins Verhältnis setzt, lässt Stress und Sorgen los, schärft den Blick auf das wirklich Wichtige. Manchmal reicht ein tiefer, bewusster Atemzug aus und die Welt erscheint in einem ganz anderen Licht.
Die richtige Sitzhaltung
Abbildung: Kabat-Zinn, J. (Knaur 2013): Gesund durch Meditation. Das große Buch der Selbstheilung mit MBSR